1965/66 wusste man nicht so ganz sicher, welche Art Film man drehen sollte, um en vogue zu sein. Klassische Krimis à la Agatha Christie oder Edgar Wallace? Agentenfilme à la James Bond? Oder einen Heist-Movie à la Rififi? Oder vorsichtshalber von allem etwas?
Auf jeden Fall wurde es nun europäischer und das ordentliche Budget von Koproduktionen schien die Filme attraktiver und konkurrenzfähiger gegenüber dem aufkommenden Fernsehehen zu machen.
Auch die Edgar-Wallace-Filmreihe trudelte nach Unsicherheiten um 1965 in dieses Fahrwasser.
Erst einmal war der vorliegende Film noch als rein deutsche Produktion mit den Darstellern Heinz Drache, Maria Perschy oder Nadja Tiller, Marisa Mell, Harald Leipnitz, Elisabeth Flickenschildt, Wolfgang Kieling, Klaus Kinski, Eddi Arent und Siegfried Schürenberg geplant. Welch eine sensationelle Besetzung! Aber dann kam die Idee, mit einer englischen Tochterfirma der Rialto in London Filme zu drehen. Natürlich mit internationalerer Besetzung.
Ein Ensemble aus hochkarätigen englischen und deutschen Schauspielern stand mit einem Rekord-Budget von 4 Millionen D-Mark zur Verfügung.
Und auf ging es an die Arbeit. Man mixte die Genre-Stile zu einem Cocktail, der nach allem und gar nichts schmecken sollte.
In Erinnerung an die schwarzweißen Wallace-Filme aus Deutschland könnte man sich eine verstörende weiße Frauengestalt vorstellen, die schemenhaft aus dem Nebel kommt und mordet. Aber leider sind wir nicht in einem alten Wallace-Film Hier ist alles farbig und taghell. Und mit den Hotel-Szenen fühlt man sich fast an die müden Momente aus alten James-Bond-Filmen erinnert. Allerdings ist es für den Zuschauer besser, wenn man noch keinen 007-Film gesehen hat, weil ansonsten die technischen Geräte dieses vorliegenden Films vergleichsweise wie günstige Spielwaren wirken. Die Heist-Movie-Schiene hingegen braucht den ganzen Klosterfirlefanz nicht, der wiederum eigentlich wohl eher ein Zugeständnis an die deutschen Wallace-Fans sein soll.
Die Familiengeschichte andererseits ist ein wenig Psycho-Thriller-typisch, kommt aber zwischen den ganzen Elementen auch nicht so richtig zur Geltung. Die Frage ist, ob für jeden Geschmack genug dabei ist oder aber, ob jeder Geschmacksrichtung zu viel fehlt.
Sicher war es ein Mega-Coup für Produzent Horst Wendlandt, einen guten internationalen Star wir Stewart Granger als Hauptdarsteller zu bekommen. Nur das nützt am Ende nichts, wenn man als Inspektor gar keinen ergrauten Ladykiller mit kosmopolitischem Flair braucht. Granger rettet sich dann ja immer ganz geschickt mit selbstironischem Humor aus der Bredouille und plötzlich findet man ihn daraufhin irgendwie doch ganz gut. Aber passend macht es die Sache am Ende nicht, zumal er mit der bezaubernden Sophie Hardy eine 31 Jahre jüngere Frau zu retten und zu küssen hat. Da hilft ihm letzten Endes auch kein Humor weiter, um diese Peinlichkeit zu kaschieren.
Das hochkompetente Darstellerensemble macht ansonsten natürlich ganze Arbeit, auch wenn es unterschiedlich viel zu tun hat. Robert Morley und Susan Hampshire etwa können zeigen, was sie drauf haben und sind durchaus ganz passend für einen Wallace-Film besetzt. Gerade der vorzügliche Robert Morley ist immer wieder ein guter Mann, wenn der Krimi geschickt die Waage zwischen Ernst und Persiflage halten sollte. Mit Vergnügen denkt man da an den Miss-Marple-Krimi „Der Wachsblumenstrauß“ (1963). Brigitte Horney muss leider nur ein ernstes Gesicht machen und bietet in erster Linie ihren großen Namen für die Besetzungsliste. Auf englischer Seite entspricht das Cathleen Nesbitt, der aber noch ein wenig mehr darstellerische Möglichkeiten gegeben worden sind. Und dann ist da Eddi Arent in seinem letzten Wallace-Film. Klar kann er den fast bürokratischen Supersafeknacker spielen, aber ich hätte ihn ehrlich gesagt lieber in seiner alten Rolle gesehen und damit auf ein bisschen mehr traditionelle Atmosphäre gehofft.
Meiner Meinung nach ist das verhältnismäßig beste an den Film die überragende Musik von Peter Thomas. Stylish, ideenreich und mit Ohrwurm-Qualitäten. Da die immer sehr Jazz- oder manchmal sogar Funk-orientierte Musik sowieso immer ironische Distanz zum Handlungsgeschehen demonstriert, ist es im Grunde genommen ganz egal, ob Peter Thomas für Edgar Wallace, Jerry Cotton, Raumpratouille oder einen Zbynek-Brynich-Film komponiert: die Musik passt immer und ist toll! Und hier besonders!
Schnell war Horst Wendlandt durch die Einspielsummen klar, dass dieser bunte Stilmix trotz Budget und Stars keine Zukunft haben sollte. Aber man hatte mal was ausprobiert und „Try and error“ muss in Zeitenwenden erlaubt sein. Dafür können wir uns fast 60 Jahre später mal einen netten Abend machen und haben zwar keinen Wallace-Kultfilm, aber immerhin doch einen kuriosen Stilmix, der dank Peter Thomas und einiger Darsteller genügend Laune macht. Allerdings: wozu der bunte Film den weißen Habit braucht, ist mir schleierhaft. Der wirkt nämlich etwas grau.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.