1965: Die beiden erfolgreichsten Filme im deutschen Kino waren mit „Feuerball“ und „Goldfinger“ gleich zwei James- Bond-Filme; die Agentenfilmwelle brach wie eine Sturmflut über das deutsche Kino herein; mit den Jerry-Cotton-Filmen startete eine neue erfolgreiche Action-Filmserie. Außerdem starb Winnetou in den Armen von Old Shatterhand und Die Helden des Jahres waren Sean Connery, Pierre Brice, George Nader und viele andere neue Darsteller. Die Filme wurden internationaler und actionlastiger, die Helden agiler und lässiger.
Und in diese Situation fällt die Erkrankung von Alfred Vohrer während der Dreharbeiten für die Fortsetzung des erfolgreichen Wallace-Films „Der Hexer“. Eingesprungen ist der quirlige Will Tremper, der auf mich immer nach einem Mix aus Genie und Hochstapler wirkt. Ich weiß nicht, wer welche Szenen zu verantworten hat, das würde mich brennend interessieren. Möglicherweise liegen darin Qualitätsunterschiede innerhalb des Films begründet.
Nach einer kurzen Pre-title-Sequenz, die eher atmosphärisch als inhaltlich angelegt ist, geht’s fulminant los und fesselt bis Archie Moore und Lady Aston sich nach der Gerichtsverhandlung treffen. Diese originelle Geschichte stammt nicht aus der Kurzgeschichtensammlung „Again the Ringer“ von Edgar Wallace, sondern Star-Autor Herbert Reinecker hat sie frei erfunden und noch einmal für die Kommissar-Folge „Noch zehn Minuten zu leben“ verwendet. Überhaupt ist „Neues vom Hexer“ der erste Wallace-Film, dessen Handlung völlig frei erfunden ist und keine Bezüge zum Roman gleichen Titels hat.
Nach dem ersten Drittel des Films verläuft sich die Story. Sehr gute Momente wechseln sich mit faderen Szenen ab. Den Hexer sieht man jetzt auch in leicht erkennbaren, fast albernen Masken und dann sogar in natura. Dadurch bekommt er fast einen komödiantischen Anstrich und man verliert immer mehr die Spannung an einem Fall, der noch mehr so spektakulär wirkt. Star-Schauspieler René Deltgen musste verständlicherweise seine Zeit vor der Kamera haben, damit sich das Engagement für Rialto lohnte. Als Höhepunkt gedacht ist wohl die Szene mit Charles und dem Tiger, eine für einen Wallace-Film untypische Spannungsszene. Kinder an sich sind schon eine Seltenheit im Wallace-Kosmos.
Die dramaturgischen Stränge hingegen werden leider einfach fallen gelassen. Damit meine ich vor allem die Geschichte um Lady Aston, deren Verhältnis zu Phillip irgendwie hätte kulminieren müssen - in einer dramatischen Finalszene zum Beispiel. Wenn man schon eine tolle Schauspielerin wie Brigitte Horney als Lady Aston engagiert, dann hätte man ihr doch auch Dramatik geben sollen. Im Falle von Barbara Rütting als Margie ist das schon ein wenig besser, auch sie hat wie Lady Aston Phillip erkannt und bekommt mit ihm wenigstens eine effektvolle Schlussszene. Dass der Drahtzieher der Verbrechen schließlich eine Person ist, die im Film gar nicht vorkam, ist auch leider verschenktes Potenzial der Story. Der durchaus temporeiche Schluss befriedigt so nicht mehr vollständig.
Heinz Drache drängte es immer weiter in Richtung Gentleman-Inspektor. Dieses Image gefiel ihm wohl, wie man diverse Male von ihm auf seinen Tatort-Kommissar Bülow bezogen hörte. Aber der Trend ging ab Ende der 60er Jahre in die entgegensetze Richtung. Hier spielt er das letzte mal einen Inspektor in einem Wallace-Film.
Der Konkurrenz zu James Bond und anderen Filmen standzuhalten, hatte es dieser zweite Hexer-Film dann somit nicht mehr einfach. Es gab neue Trends, denen sich Horst Wendlandt stellen musste. Neue Ideen mussten her. Mehr Sensationen. Vielleicht Farbe, vielleicht neue Darsteller. Vielleicht brauchte man auch neue Zielgruppen. Schon der nächste Wallace-Film „Der unheimliche Mönch“ zeigte in die Zukunft.
Leider war 1965 mit „Neues vom Hexer“ die Phase der klassischen Wallace-Filme vorbei. Trotz seiner Schwächen gefällt mir der Film sehr.
Verfasser: Hans-Jürgen Osmers I Sämtliche Texte unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne Zustimmung und Quellenangabe nicht anderweitig verwendet werden.